Springen Sie direkt zum Hauptinhalt

nach.gefragt - Markus Lewe

Mehr Vertrauen, bitte.

Kirche und Demokratie – beide befinden sich in einer schwierigen Situation, die insbesondere von einem Mangel an Vertrauen geprägt ist.

Die Demokratie in Deutschland steht unter Druck. Menschen zweifeln zunehmend an der Integrität ihrer politischen Vertretungen, an der Wirksamkeit der Institutionen und an der Zukunftsfähigkeit des demokratischen Systems. Die Gründe dafür sind vielfältig: Wir erleben komplexe soziale Veränderungsprozesse, die auf Unsicherheiten und Unzufriedenheit treffen. Falschinformationen verbreiten sich im digitalen Raum schneller denn je, während populistische Rhetorik und falsche Versprechungen zur Entfremdung beitragen.

Gleichzeitig erleben wir auch in der Kirche eine tiefgreifende Krise des Vertrauens. Missbrauchsskandale und veraltete Strukturen haben das Vertrauen vieler Gläubigen erschüttert. Die Zahl der Kirchenaustritte wächst, und immer mehr Menschen fragen sich, ob die Kirche noch relevant und glaubwürdig ist. Vertrauen ist auch hier der Schlüssel – das Vertrauen, dass die Kirche ihren moralischen Auftrag ernst nimmt und sich den stetig wandelnden Herausforderungen der Gegenwart stellt.

Vertrauen ist keine statische Größe, sondern etwas, das immer wieder neu erarbeitet werden muss. Für die Demokratie bedeutet das, sich unermüdlich für die Rechte und Freiheiten der Menschen einzusetzen und gleichzeitig den Zusammenhalt der Gesellschaft zu fördern. Für die Kirche bedeutet dies, sich auf ihre moralischen und ethischen Grundsätze zu besinnen und diese in einer Weise vorzuleben, die den Menschen Halt gibt.

Als Ort der Begegnung kommt der Kirche eine bedeutende Rolle in der Demokratie zu. Sie kann – und muss – eine gerechte und solidarische Gesellschaft mitgestalten und ihre Stimme erheben, wenn die Grundwerte der Demokratie bedroht sind. Und in vielerlei Hinsicht tut sie das bereits.

So gehören die beiden großen christlichen Kirchen zum Beispiel zusammen mit rund 50 zivilgesellschaftlichen Organisationen dem Bündnis „Zusammen für Demokratie“ an. Sie haben sich beide klar und eindeutig gegen Rechtsextremismus positioniert, denn Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und eine völkische Ideenwelt sind mit christlichen Geboten unvereinbar, stehen diesen vielmehr diametral entgegen.

Der Wertekompass der Kirche, der auf Prinzipien wie Nächstenliebe, Menschenwürde und Gerechtigkeit basiert, ist nicht nur mit demokratischen Grundwerten kompatibel – er ist eine ihrer moralischen Wurzeln. Indem die Kirche diese Werte lebt und aktiv verteidigt, stärkt sie nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie, sondern gewinnt auch das Vertrauen der Menschen zurück.

 

Markus Lewe ist seit Oktober 2009 Oberbürgermeister der Stadt Münster. Seit November 2021 ist er zudem Präsident des Deutschen Städtetags. Dieses Amt hatte er bereits von Januar 2018 bis Juni 2019 inne.